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Forschung

Telemedizin in der MS-Therapie –

4 aktuelle Fakten

„Telemedizin“ – der Begriff mag etwas eingestaubt klingen, ist aber vor allem seit der Corona-Pandemie ein brandaktuelles Thema. Und möglicherweise ist es sogar für dich ganz persönlich von Bedeutung. Im folgenden Überblick erfährst du, was Telemedizin eigentlich ist und welche Vorteile sie für dich haben kann.

FAKT 1

Telemedizin ist viel mehr als Videosprechstunden oder „eRezepte“

Der Begriff „Telemedizin“ steht für alle Arten der technikbasierten ärztlichen Versorgung, bei der sich medizinisches Betreuungsteam und Patient:in an unterschiedlichen Orten befinden.

Zur Telemedizin gehören beispielsweise:

  • Videosprechstunden
  • Telemedizinische Fernuntersuchungen
  • Telemonitoring, sprich die medizinische Überwachung von Patient:innen, bei der z. B. bestimmte Vitalfunktionen an die Arztpraxis oder das Krankenhaus gesendet werden
  • Elektronische Akten
  • Elektronische Rezepte

FAKT 2

Telemedizin kann den Zugang zur Gesundheitsversorgung erleichtern – auch für MS-Patient:innen

Die COVID-19-Pandemie hat dazu geführt, dass viele Menschen mit chronischen Erkrankungen ihre Arzttermine abgesagt oder sogar ihre Behandlung abgebrochen haben – aus Sorge vor einer Ansteckung oder aufgrund organisatorischer Schwierigkeiten bei der Anreise. Das kann auch auf MS-Patient:innen zutreffen, die beispielsweise ihre symptomatische Therapie abbrechen. Dabei ist die kontinuierliche ärztliche Betreuung bei MS wichtig, um die Erkrankung adäquat zu behandeln. Um diesem Problem zu begegnen, setzen einige Kliniken und Praxen hierzulande auf einen vermehrten Einsatz von Telemedizin in Form von Telefon- und Videosprechstunden.

Doch auch unabhängig von Corona bietet die Telemedizin zahlreiche Vorteile und Möglichkeiten, wie beispielsweise

  • einen einfacheren Zugang zu medizinischen Versorgungsangeboten in Gebieten, in denen es nur wenige (Fach-)Arztpraxen oder Kliniken gibt
  • Erleichterung für Menschen, die aufgrund körperlicher Einschränkungen weniger oder gar nicht mobil sind: zum Beispiel MS-Patient:innen mit ausgeprägten Krankheitssymptomen oder ältere Menschen
  • Kostenersparnis für Patient:innen, die dadurch zum Beispiel weniger Geld für Fahrkarten oder Hotelübernachtungen ausgeben müssen
  • Einholen einer Zweitmeinung, teils auch außerhalb der regulären Praxisöffnungszeiten

FAKT 3

Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen: Telemedizin kann sich positiv auf den Behandlungsverlauf bei MS-Patient:innen auswirken

Wissenschaftler:innen der Oregon Health & Science University in den USA veröffentlichten Anfang 2021 einen Artikel mit dem Titel Telehealth in Multiple Sclerosis Clinical Care and Research. Die Forschenden befassten sich unter anderem mit den möglichen Vorteilen der Telemedizin in der Behandlung von MS-Patient:innen. Anlass war die Covid-19-Pandemie, denn die hohe Ansteckungsgefahr führte zu ganz neuen Herausforderungen in der Versorgung chronisch kranker Menschen.

Das Forscher:innenteam wertete die Arbeit mehrerer US-amerikanischer Arbeitsgruppen und Versorgungsplattformen aus, in denen unterschiedliche „teleneurologische“ Betreuungs-, Diagnostik- und Überwachungsinstrumente bei MS-Patient:innen erprobt wurden. Mit folgendem Ergebnis:

  • Telemedizinische Sprechstunden reduzierten bei den Betroffenen Fehlzeiten im Job sowie Reisekosten, die normalerweise durch einen Arztbesuch entstehen können.
  • Kurze telefonische Beratungen durch die behandelnden Ärztinnen und Ärzte führten zu verbesserter Therapietreue.
  • Telefon- oder internetbasierte Angebote führten zu vermehrter körperlicher Aktivität und verminderter Fatigue.
  • Die in Studien angewandten telemedizinischen Innovationen wie Biosensoren, Eyetracker oder Kraftmesser erwiesen sich als hilfreich für die Erfassung relevanter Daten.
  • Sowohl die MS-Patient:innen als auch die Behandlungsteams zeigten sich zufrieden mit dem telemedizinischen Angebot.

Allerdings wurde auch deutlich, dass Telemedizin nicht alle Aspekte abdecken kann und bestimmte neurologische Untersuchungen nur vor Ort durchführbar sind – so zum Beispiel die vollständige neurologische Diagnostik. Eine weitere Herausforderung offenbarte sich in dem nicht einheitlichen Zugang der Patient:innen zu telemedizinischen Angeboten sowie in deren unterschiedlich ausgeprägten technischen Kompetenzen.

Weitere Studien sind nun erforderlich, damit die erprobten telemedizinischen Anwendungen irgendwann Teil der Regelversorgung bei Multipler Sklerose werden können.

FAKT 4

Auch in Deutschland ist die Telemedizin auf dem Vormarsch

Bisher wurde die Telemedizin in Deutschland wenig genutzt. Nur 17% der Patient:innen gaben noch in 2021 bei einer Umfrage an, per Telemedizin ein Gespräch mit ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin geführt zu haben. Ganz anders sieht das in anderen europäischen Ländern aus: in den Niederlanden und in Frankreich nutzen ca. 1/3 der Patient:innen telemedizinische Angebote, und in Großbritannien sind es mehr als die Hälfte. Durch die „Corona-Pandemie“ hat die Telemedizin auch bei uns an Bedeutung gewonnen:

  • 78% der befragten Patient:innen hatten während der COVID-19-Pandemie ihre erste Online-Beratung. In der Regel haben sie gute Erfahrung mit den online Beratungsangeboten gemacht und wollen diese weiterhin nutzen.
  •  77%  der Patient:innen würden die telemedizinischen Angebote weiterhin nutzen und sie würden mit höherer Wahrscheinlichkeit eine Praxis wählen, die Telemedizin anbietet.
  • Auch für Ärzt:innen gewinnt die Telemedizin an Bedeutung und die Vorteile von der online-Konsultationen sind in den Praxen angekommen.
  • Kassenärztliche Bereitschaftsdienste sollen zukünftig telemedizinische Konsultationen anbieten.
  • In strukturschwachen Regionen gibt es Projekte, hausärztliche Besuche durch telemedizinische Assistenzkräfte zu ergänzen und die Hausärzt:innen durch Videokonferenzen zu entlasten.
  • Krankenkassen bieten verstärkt online-Beratung über Apps und webbasierte Systeme an.

Die Bundesregierung hatte hierzu im Juni 2021 ein neues Gesetz für die Digitalisierung im Gesundheitswesen bewilligt. Ziel ist es, die Versorgung zu modernisieren, Gesundheits-Apps einzusetzen und die elektronische Gesundheitsakte einzuführen.

Fazit

Welche Bedeutung hat das Thema Telemedizin für dich?

Bist du wegen deiner MS nicht mehr so mobil? Ist deine Neurologin beziehungsweise dein Neurologe weit entfernt? Dann frage doch gleich bei deinem nächsten Praxistermin, welche telemedizinischen Betreuungsmöglichkeiten es gegebenenfalls für dich gibt.

Wichtig ist: Die Telemedizin kann die persönliche Betreuung durch die Ärztin oder den Arzt nicht komplett ersetzen. Aber sie kann eine sinnvolle Ergänzung sein.

SEI AKTIV!

Egal ob dein Praxistermin online oder persönlich stattfindet: Es ist hilfreich, sich immer so gut wie möglich darauf vorzubereiten. So stellst du sicher, dass deine Fragen und Wünsche besprochen werden und nichts Wichtiges vergessen wird. Hier findest du eine Checkliste für deinen nächsten Praxisbesuch.